Sie können es nicht lassen

Wenn lügen nicht mehr geht, tut’s auch eine Halbwahrheit

Eigentlich ist es eine Kleinigkeit, welche die “Sächsische Zeitung” hier zu vermelden hatte. Eine “Flüchtlings”familie aus Afghanistan wurde zwangsgeräumt, weil sie einen ordentlichen Aufenthaltstitel bekommen hatte und somit eine eigene Bleibe suchen musste.

Der Text ist dennoch ein Musterbeispiel für bewusste Irreführung und Meinungsmache. Gehen wir mal im Einzelnen durch.

Die Überschrift lautet “Plötzlich auf der Straße”. “Plötzlich” – das suggeriert: von heute auf morgen, ohne Vorankündigung, mit einer Schrecksekunde. Aber mitnichten: ein gutes Stück weiter hinten im Text erfahren wir dann, dass die Familie seit mindestens drei Monaten wusste, dass sie sich eine neue Bleibe suchen muss. Und das sie einfach ihren Hintern nicht gerührt hat, getreu dem Motto, dass schon irgend so ein teutonischer Ungläubiger weiterhelfen werde. Was ja mit dem DRK dann auch prompt passiert ist.

Die Unterzeile lautet: “Der Landkreis Görlitz lässt in Reichenbach die Wohnung einer Flüchtlingsfamilie räumen. Das halten viele für unangemessen.” Viele – was sind viele? Sieben, zehn, oder hundert? Im Text erfahren  wir von namentlich genau zwei Personen, die die Räumung für unangemessen halten. Zwei sind also viele. Ob es nicht auch mindestens zwei gab, welche die Räumung für angemessen hielten? Und warum steht da also nicht “Viele halten das für gut”?

Und weiter heißt es im Text: “Das [die Zwangsräumung] bewegt Anwohner in Reichenbach noch Tage nach dem Geschehen. Denn die Familie war sehr beliebt und hatte sich gut in der Kleinstadt eingelebt.”  Einen Beleg für diese Aussage bleibt die Autorin schuldig. Keine Nachbarn, welche die Beliebtheit der Familie mal unterstützen würden? Keine Vereine, die sich über neue Mitstreiter freuen? Nichts dergleichen. Nur eine Behauptung: “sehr beliebt”. Und: “es bewegt die Reichenbacher.” So etwas in einem Text zu behaupten, ist leicht, denn das Gegenteil lässt sich kaum nachweisen.

Schließlich Details zum nicht freiwilligen Umzug: “Den Weg dahin mussten die Eltern selbst organisieren. Sie nahmen von Reichenbach aus ein Taxi.” Oh wie schrecklich. Ja, liebe Afghanen, ja, liebe Gutmenschen: manchmal muss man doch tatsächlich selbst einen Weg organisieren. Fraglich, wer das Taxi am Ende bezahlt hat. Aber ich habe da so einen Verdacht….

Alles in allem also ein Text voller subtiler Meinungsmache. Und, ohne Hoffnung auf Antwort eine Frage an die Redaktion der SZ: hätten sie so einen Text auch verfasst, wenn eine deutsche Familie zwangsgeräumt worden wäre?

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